Bald sechs Milliarden Menschen – aber: Bevölkerungswachstum wird langsamer!

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Erklärung der Exekutivdirektorin des UNO-Bevölkerungsfonds (UNFPA), Dr. Nafis Sadik, zum Weltbevölkerungstag – 11. Juli 1998

NEW YORK, 10. Juli (UNFPA) – Vor mehr als 10 Jahren, am 11. Juli 1987, hat die Zahl der Weltbevölkerung fünf Milliarden überschritten. 1989 beschloß der Verwaltungsrat des Ent-wicklungsprogramms der Vereinten Nationen, jedes Jahr am 11. Juli den Weltbevölkerungstag zu begehen. Ziel dieses Tages ist es, auf drängende Bevölkerungsfragen aufmerksam zu machen und die Notwendigkeit von Lösungen zu unterstreichen. Heute leben fast sechs Milliarden Menschen auf der Erde und der diesjährige Weltbevölkerungstag soll in Erinnerung rufen, daß das Bevölkerungswachstum noch nicht zum Stillstand gekommen ist. Aus Anlaß des Weltbevölkerungstages hat die Exekutivdirektorin des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), Dr. Nafis Sadik, folgende Erklärung veröffentlicht:

Gegen Mitte des nächsten Jahres wird die Zahl der Weltbevölkerung auf sechs Milliarden Menschen angestiegen sein, ein außerordentliches Ereignis für die Menschheit. In keinem anderen Zeitalter wurde das Bevölkerungswachstum so schnell stabilisiert, während gleichzeitig die Gesundheits- und Ernährungsbedingungen für die meisten Menschen auf der Welt verbessert wurden und Geburtenzahlen und Familiengröße rascher abnahmen als je zuvor. Das Bevöl-kerungswachstums hat sich verlangsamt, wird geringer und wird noch weiter zurückgehen. Wir haben also etwas zu feiern.

Mit dem Erreichen der Sechs-Milliarden-Grenze stellt sich jedoch die Frage, ob wir diesen Fortschritt halten können.

1999 wird sich die Weltbevölkerung im Vergleich zu 1960 verdoppelt haben. Erst 1987 haben wir die Fünf-Milliarden-Grenze erreicht. Jedes Jahr nimmt die Weltbevölkerung um 80 Millionen Menschen zu und in diesem Ausmaß wird sie auch in den kommenden zehn Jahren wachsen. Was danach passiert, hängt davon ab, welche Entscheidungen in der nächsten Dekade getroffen werden.

Eine Milliarde Menschen sind zwischen 15 und 24 Jahre alt. Sie werden mit ihrer Ent-scheidung über die Größe ihrer Familien und den zeitlichen Abstand der Geburt ihrer Kinder die Wachstumsrate der Weltbevölkerung im nächsten Jahrhundert bestimmen. Diese Entscheidung wird von ihrem wirtschaftlichen Wohlstand, ihrer Erziehung und ihrem Gesundheitszustand beeinflußt – und vor allem davon, ob und inwieweit sie überhaupt in der Lage sind, eine Wahl zu treffen.

Allen Frauen und Männern, insbesondere jungen Frauen, diese Wahlmöglichkeit zu geben, ist von ausschlaggebender Bedeutung. Zum Teil hängt das von ihrer Bildung ab, denn Bildung schafft Selbstvertrauen. Voraussetzung dafür ist aber auch der Zugang zu Diensten der reproduktiven Gesundheit und zur Familienplanung, zur Information und zu den verfügbaren Methoden. Nicht zuletzt hängt dies auch vom Verhalten der Männer ab. Männer müssen als Väter, Ehemänner, Lehrer und Führungspersönlichkeiten bereit sein, das Recht der Frauen auf diese Wahlmöglichkeit anzuerkennen und ihre Entscheidungen mitzutragen.

Wenn Frauen die Wahl haben, werden sie weniger Kinder gebären als ihre Mütter. Die Familien werden kleiner. Das Bevölkerungswachstum wird zurückgehen. Dies haben die Erfahrungen der letzten 30 Jahre gezeigt.

Auf der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung 1994 haben die Völker der Welt reproduktive Gesundheit als Menschenrecht anerkannt. Alle haben das Recht, die Größe ihrer Familien und den zeitlichen Abstand der Geburt der Kinder selbst zu bestimmen. Wenn alle diese Wahl treffen können, dann sind wir auf dem richtigen Weg zu einem langsameren und ausgewogeneren Bevölkerungswachstum. An diesem Weltbevölkerungstag wollen wir erneut für dieses Recht eintreten und für die Maßnahmen, die notwendig sind, damit es für alle Menschen auf der Welt durchgesetzt werden kann.