Boutros Boutros-Ghali, Generalsekretär der Vereinten Nationen

Boutros Gali

 

 

 

 

 

 

 

Boutros Boutros-Ghali (Ägypten)

Amtszeit: 1997-2006

UNIC/BIO/1 BIOGRAPHIE 24. April 1996

Der sechste Generalsekretär der Vereinten Nationen, Boutros Boutros-Ghali, trat am 1. Januar 1992 sein Amt an. Er wurde am 3. Dezember 1991 von der UNO-Generalversammlung für eine fünfjährige Amtszeit in diese Funktion berufen. Zum Zeitpunkt seiner Wahl war Dr. Boutros-Ghali Stellvertretender Ministerpräsident für auswärtige Angelegenheiten Ägyptens, davor – von Oktober 1977 bis Mai 1991 – Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten.

Schwerpunkte der Tätigkeit

Seit der Übernahme seines Amtes war Dr. Boutros-Ghali aktiv damit befaßt, die Arbeit der Vereinten Nationen voranzutreiben. Dem Generalsekretär ging es dabei vorrangig um die Stärkung der Organisation der Vereinten Nationen, die Nutzung ihrer Möglichkeiten nach dem Ende des Kalten Krieges, die Umsetzung der UNO-Charta und die Verwirklichung der Ziele Frieden, Entwicklung und Demokratie.

Anläßlich des ersten Treffens des Sicherheitsrates auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs wurde der Generalsekretär am 31. Januar 1992 aufgefordert, eine Analyse und Empfehlungen zu der Frage auszuarbeiten, wie die Fähigkeiten der Vereinten Nationen zur vorbeugenden Diplomatie, zur Friedensschaffung und zur Friedenssicherung gestärkt und effizienter gestaltet werden können. Der Generalsekretär erweiterte diese Bereiche der Friedenswahrung um das Konzept der Friedenskonsolidierung nach einem Konflikt.

Seine “Agenda für den Frieden“ definiert die Rolle und Aufgaben der Vereinten Nationen in einem neuen Zeitalter, das im Zeichen zahlreicher friedenserhaltender Einsätze und Beobachtermissionen im Auftrag des Sicherheitsrates und unter dem Kommando des Generalsekretärs steht. Der Bericht wurde in 29 Sprachen übersetzt und viel diskutiert.

Am 3. Januar 1995 hat der Generalsekretär in Ergänzung seiner “Agenda für den Frieden“ ein Positionspapier veröffentlicht. Dieses Papier konzentriert sich auf die Bereiche, in denen unvorhergesehene Schwierigkeiten in Zusammenhang mit den friedenserhaltenden Einsätzen der Vereinten Nationen aufgetaucht sind, und bietet auf der Basis bisheriger Erfahrungen Richtlinien zur Verbesserung zukünftiger Missionen.

Seit dem Ende des Kalten Krieges haben die Vereinten Nationen mehr friedenserhaltende Einsätze durchgeführt als in den vorangegangenen 40 Jahren, an denen, neben dem zivilen Personal, rund 70.000 Soldaten, Militärbeobachter und Polizisten beteiligt waren. Zu diesen Einsätzen gehören vor allem UNPROFOR im ehemaligen Jugoslawien, UNTAC in Kambodscha, UNOSOM II in Somalia, ONUMOZ in Mosambik, UNAVEM III in Angola und ONUSAL in El Salvador. Der Generalsekretär hat eine Reihe von Sonderbeauftragten und Persönlichen Vertretern ernannt, die ihn über die jeweils erforderlichen Voraussetzungen für die Beendigung von Feindseligkeiten, den Abbau von Spannungen oder die Konsolidierung des Friedens in verschiedenen Teilen der Welt beraten. Friedensbildende Aktivitäten umfassen Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens, zur Reform und Festigung der demokratischen Einrichtungen, zur Integration ehemaliger Kämpfer in das zivile Leben und zur Wiederherstellung der vom Krieg zerstörten Gesellschaft. Sie bilden die Basis für einen dauerhaften Frieden und helfen, ein Wiederaufleben von Konflikten zu vermeiden.

Von seinem ersten Amtsjahr an hat sich der Generalsekretär auch für eine neue und erweiterte Sicht der Entwicklung eingesetzt. Eine Reihe von richtungsweisenden Konferenzen wurde dazu abgehalten. Dazu zählen das Gipfeltreffen über die wirtschaftliche Förderung der Frau im ländlichen Raum (Genf, 1992), die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (Rio de Janeiro, 1992) und die Weltkonferenz über Menschenrechte (Wien, 1993). Im Mai 1994 wurde die Konferenz der Vereinten Nationen zur Vermeidung von Katastrophen in Yokohama abgehalten. Im September 1994 hat in Kairo die Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung stattgefunden. 1995 standen der Weltgipfel über Soziale Entwicklung (März, Kopenhagen) und die Vierte Weltfrauenkonferenz (September, Peking) auf dem Programm und Anfang Juni 1996 tagte die zweite Konferenz über das Wohn- und Siedlungswesen, der “Städtegipfel“, in Istanbul.

In den Augen des Generalsekretärs ist diese Reihe von Konferenzen eine einzigartige Gelegenheit, die Aufmerksamkeit für die dort behandelten Themen zu erhöhen und neue Normen und Standards zu setzen. Auf diesen Konferenzen und Gipfeltreffen arbeiten Mitgliedsländer, nichtstaatliche Organisationen und Einzelpersonen zusammen, um ein globales Engagement für Entwicklung in all ihren Aspekten zu bewirken. Das vergangene Jahr, in dem die Vereinten Nationen ihr fünfzigjähriges Bestehen feierten, nutzte die Organisation, um die weltweite Aufmerksamkeit auf die entscheidende Bedeutung von Entwicklung zu lenken.

Unter der Überschrift “Agenda für die Entwicklung“ entwarf der Generalsekretär seine persönliche Vision von Entwicklung in einem Bericht, der im Mai 1994 der Generalversammlung vorgelegt wurde. In diesem Bericht bezeichnet der Generalsekretär Frieden, Wirtschaft, Umwelt, Gesellschaft und Demokratie als die fünf Grundpfeiler der Entwicklung. Der Generalsekretär untersucht zudem die Vielfalt der Akteure in der Entwicklungsarbeit und erläutert seine Vorstellungen von der Rolle der Vereinten Nationen für die Entwicklung in einer immer komplexeren Welt. Er stellt fest, daß die weltweite Anerkennung der Menschenrechte ein integraler Bestandteil von Entwicklung ist. Der Schutz der Menschenrechte einschließlich der Rechte von Gruppen, wie etwa indigene Völker, Frauen, Kinder und Behinderte steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Generalsekretärs. Auf Ersuchen der Generalversammlung hat der Generalsekretär im November 1994 seine Empfehlungen für die Umsetzung der “Agenda für die Entwicklung“ veröffentlicht.

Die beiden Programme, Frieden und Entwicklung, sind untrennbar miteinander verbunden. Daher hat der Generalsekretär im Februar 1995 gleichzeitig die überarbeitete “Agenda für den Frieden“ und die “Agenda für die Entwicklung“ publiziert.

Die Vereinten Nationen sollen, nach Ansicht des Generalsekretära, den demokratischen Wandel, der die Zeit nach dem kalten Krieg kennzeichnet, unterstützen. Auf Anfrage haben die Vereinten Nationen die Organisation und die Überwachung demokratischer Wahlen in rund 40 Ländern unterstützt. Den bisher größten Wahlhilfeeinsatz haben die Vereinten Nationen bei den südafrikanischen Wahlen geleistet, wo die UNO mehr als 2,100 Beobachter gestellt hat.

In Anerkennung der Tatsache, daß Demokratie weit mehr ist als die bloße Abhaltung von freien und gerechten Wahlen, haben die Vereinten Nationen verschiedene Programme für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Entwicklung demokratischer Institutionen, der Rechtsstaatlichkeit und der Partizipation der Bevölkerung entwickelt. Doch darüber hinaus wird Demokratie am besten durch die Demokratisierung des internationalen Lebens gefördert, und dies wurde vom Generalsekretär während seiner gesamten bisherigen Amtszeit angestrebt.

Die finanzielle Krise, in die die Vereinten Nationen gestürzt ist, weil Beiträge für das reguläre Budget und für die Friedenserhaltung entweder nicht vollständig oder nicht pünktlich gezahlt werden, bedroht die effiziente Arbeit der Organisation. Der Generalsekretär hat eine Reihe von Studien in Auftrag gegeben, um sicherzustellen, daß die Vereinten Nationen als Organisation den Herausforderungen der nächsten 50 Jahre gerecht werden können.

Dr. Boutros-Ghali hat ein Programm der Neustrukturierung und Reform in Angriff genommen, das auf eine Reduzierung der Zahl hochrangiger Posten im Sekretariat, eine Dezentralisierung der Entscheidungsprozesse, eine Kostenreduzierung und eine höhere Effizienz des Managements abzielt. Besondere Sorge bereitet dem Generalsekretär dabei auch die Frage, wie die stark ausgeweiteten Einsätze der Vereinten Nationen am besten in den Griff zu bekommen sind.

Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali hat seit seinem Amtsantritt mehr als 50 Länder besucht, um die Vereinten Nationen zu repräsentieren und seine guten Dienste bei der Förderung des Friedens anzubieten. So war er im Dezember 1993 der erste Nichtkoreaner, der die entmilitarisierte Zone zwischen Seoul und Pjöngjang überschritt.

Akademische Ehrungen, Auszeichnungen und Mitgliedschaften

Die Rolle des Generalsekretärs bei der Förderung von Frieden, Entwicklung und Demokratie ist mit vielen Auszeichnungen und Ehrentiteln anerkannt worden.

Verliehen wurden ihm die Ehrendoktorwürde der Rechte vom Institut für Staatsrecht an der Russischen Akademie der Wissenschaften, Moskau (September 1992); ein Ehrendoktortitel des Institut d’Etudes politiques de Paris (Januar 1993); der Christian A. Herter Memorial Award des World Affairs Council, Boston (März 1993); ein Ehrendoktortitel der Katholischen Universität von Leuven, Belgien (April 1993); die Auszeichnung “Mann des Friedens“ der italienischen Stiftung “Zusammen für den Frieden“ (Juli 1993); ein Ehrendoktortitel der Universität von Laval, Quebec (August 1993); und der Arthur A. Houghton Jr. Star Crystal Award for Excellence des Afro-Amerikanischen Institutes, New York (November 1993).

Zusätzlich hat er die Ehrenmitgliedschaft der Russischen Akademie der Naturwissenschaften, Moskau (April 1994); die Ehrengastmitgliedschaft der Russischen Akademie der Wissenschaften, Moskau (April 1994); die Ehrengastmitgliedschaft der Akademie der Wissenschaften von Belarus, Minsk (April 1994); die Ehrendoktorwürde der Universität Carlos III von Madrid (April 1994); ein Ehrentitel der School of Foreign Service der Georgetown University, Washington, D. C. (Mai 1994); die Ehrendoktorwürde in Völkerrecht der Universität Moncton, New Brunswick, Kanada (August 1994); sowie Ehrendoktortitel der Universität Bukarest (Oktober 1994), der Universität Baku (Oktober 1994), der Universität Eriwan (November 1994), der Universität Haifa (Februar 1995), Universität Wien (1995) und der Universität von Melbourne (April 1995), erhalten. Er wurde Mitglied des Berkeley College und der Universität Yale im März 1995 und erhielt im Juli 1995 den Onassis-Preis für internationales Verständnis und sozialen Fortschritt. Außerdem wurden ihm Ehrendoktortitel von der Universität Montesquieu in Bordeaux (März 1996) und von der Koryo Universität in Seoul (April 1996) verliehen.

Bisherige Laufbahn

Als Diplomat, Jurist, Wissenschafter und bekannter Autor ist Dr. Boutros-Ghali seit vielen Jahren auf dem Gebiet der internationalen Politik tätig.

1987 wurde er Mitglied des ägyptischen Parlaments, seit 1980 gehört er dem Sekretariat der Nationaldemokratischen Partei seines Landes an. Bis zur Übernahme des Amtes des UN-Generalsekretärs war er außerdem Vizepräsident der Sozialistischen Internationale.

Er war von 1979 bis 1991 Mitglied der Völkerrechtskommission und ist ehemaliges Mitglied der Internationalen Juristenkommission. Er kann auf zahlreiche berufliche und akademische Erfahrungen aufgrund seiner Tätigkeiten auf dem Gebiet des Rechts, der internationalen Angelegenheiten und der politischen Wissenschaft verweisen. Dazu zählen u.a. seine Mitgliedschaft im Institut für Völkerrecht, im Internationalen Institut für Menschenrechte, in der Afrikanischen Gesellschaft für Politische Studien und in der Akademie der Moral- und Politikwissenschaften (Academie Française, Paris). Im Laufe von vier Jahrzehnten hat Dr. Boutros-Ghali an zahlreichen Konferenzen teilgenommen, die sich mit Völkerrecht, Menschenrechten, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung, Entkolonisierung, der Nahostfrage, dem internationalen humanitären Recht, den Rechten ethnischer und anderer Minderheiten, der Blockfreiheit, der Entwicklung der Mittelmeerregion und der afro-arabischen Zusammenarbeit befaßten.

Im September 1978 nahm Dr. Boutros-Ghali an der Gipfelkonferenz von Camp David teil und war auch an den Verhandlungen über das Camp-David-Abkommen zwischen Ägypten und Israel beteiligt, das 1979 unterzeichnet wurde. Er hat zahlreiche Delegationen seines Landes auf Tagungen der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) und der Bewegung der blockfreien Länder sowie bei der Gipfelkonferenz der französischen und afrikanischen Staatschefs geleitet. Er war auch Leiter der Delegation Ägyptens bei den Tagungen der Generalversammlung in den Jahren 1979, 1982 und 1990.

Boutros Boutros-Ghali promovierte 1949 an der Universität Paris in Rechtswissenschaften. Seine Dissertation befaßte sich mit regionalen Organisationen. Neben einem akademischen Grad der Universität Kairo in Rechtswissenschaften (1946) erwarb er weitere Diplome in Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und öffentlichem Recht an der Universität Paris.

Zwischen 1949 und 1977 war er Professor für Völkerrecht und internationale Beziehungen an der Universität Kairo. Von 1974 bis 1977 gehörte er dem Zentralkomitee und dem politischen Büro der Arabischen Sozialistischen Union an.

Neben seiner sonstigen beruflichen und akademischen Tätigkeit war Dr. Boutros-Ghali als Fulbright-Wissenschaftler an der Columbia Universität (1954/55), Direktor des Forschungszentrums der Haager Akademie für Völkerrecht (1963/64) und Gastprofessor an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Paris (1967/68). Er lehrte Völkerrecht und internationale Beziehungen an zahlreichen Universitäten in Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika und Nordamerika.

Dr. Boutros-Ghali war Präsident der Ägyptischen Gesellschaft für Völkerrecht seit 1965, Präsident des Zentrums für Politische und Strategische Studien (Al Ahram) seit 1975, Mitglied des Verwaltungsrates der Haager Akademie für Völkerrecht seit 1978, Mitglied des Wissenschaftlichen Ausschusses der Academie Mondial pour la Paix (Menton, Frankreich) seit 1978, und Beigeordnetes Mitglied des Instituto Affari Internazionali (Rom) seit 1979. Ferner war er von 1971 bis 1979 Mitglied des Ausschusses für die Anwendung der Konventionen und Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Dr. Boutros-Ghali hat die Zeitschrift Al-Ahram Iqtisadi gegründet, die er von 1960 bis 1975 herausgegeben hat. Außerdem war er bis Dezember 1991 leitender Redakteur der Vierteljahresschrift Al-Seyassa Al-Dawlia.

Dr. Boutros-Ghali verfaßte mehr als 100 Publikationen und zahlreiche Artikel über regionale und internationale Angelegenheiten, Recht und Diplomatie sowie Politikwissenschaft. Im Laufe seiner Karriere erhielt er Orden und Auszeichnungen von 24 Staaten. Neben seinem Heimatland Ägypten wurde er von Belgien, Italien, Kolumbien, Guatemala, Frankreich, Ecuador, Argentinien, Nepal, Luxemburg, Portugal, Niger, Mali, Mexiko, Griechenland, Chile, Brunei-Darussalam, Deutschland, Peru, Côte d’Ivoire, Dänemark, der Zentralafrikanischen Republik, Schweden und der Republik Korea geehrt. Darüber hinaus wurde er vom Malteser Ritterorden ausgezeichnet.

Boutros Boutros-Ghali wurde am 14. November 1922 in Kairo geboren. Er ist mit Leia Maria Boutros-Ghali verheiratet.