Erstmalig ranghohen UN-Vertreter Einreise nach Gaza gestattet: Forderung nach humanitärer Waffenruhe

Vom Leiter des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA),

Philippe Lazzarini

GRENZÜBERGANG RAFAH, 1. NOVEMBER 2023

 

„Ich bin gerade aus dem Gaza-Streifen zurückgekehrt. Dies ist das erste Mal, dass ich seit Beginn dieses schrecklichen Krieges vor fast vier Wochen einreisen durfte.

„Das Ausmaß der Tragödie ist eine noch nie dagewesene.

„Ich traf mich mit vertriebenen Palästinensern, die in einer der UNRWA-Schulen in Rafah untergebracht sind. Sie zeigten mir, wo die Schule während der Bombardierungen beschädigt wurde. Eine Person wurde getötet und mehr als 80 wurden verletzt. Der Ort war überfüllt. Das Ausmaß der Not und die unhygienischen Lebensbedingungen waren unfassbar. Alle baten nur um Wasser und Essen. Anstatt in der Schule zu sein und zu lernen, baten die Kinder um einen Schluck Wasser und ein Stück Brot. Es war herzzerreißend. Vor allem aber baten die Menschen um einen Waffenstillstand. Sie wollen, dass diese Tragödie ein Ende hat.

„Es war einer der traurigsten Tage in meiner humanitären Arbeit.

„Für die Menschen in Gaza ist das UNRWA die letzte verbliebene Überlebenshilfe, denn die Märkte sind leer. Wasser, Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff gehen schnell zur Neige.

„Jeder Tag wird düsterer, weil wir immer mehr Kollegen verlieren. Wo wird das enden? Seit dem 7. Oktober sind mehr als 70 UNRWA-Kollegen getötet worden, oft zusammen mit ihren Familien. Ich habe meinen Kollegen meine ganze Bewunderung und meinen Respekt ausgesprochen; sie sind ein Lichtblick, der aus dem Gazastreifen kommt. Sie sind selbst betroffen wie alle anderen auch. Auch sie sind vertrieben worden, auch sie kämpfen um Nahrung, Wasser und Sicherheit. Trotzdem stehen sie im Dienst der Gemeinschaft und machen das Unmögliche möglich. Ich habe ihnen versichert, dass die Agentur sich verpflichtet hat, zu bleiben und ihre Arbeit auszuweiten.

„Wir werden den palästinensischen Flüchtlingen und den übrigen palästinensischen Gemeinschaften weiterhin zur Seite stehen.

„Die derzeitige humanitäre Hilfe reicht bei weitem nicht aus und wird den enormen Bedürfnissen der Menschen in Gaza nicht gerecht. Wir brauchen mehr denn je eine sinnvolle humanitäre Hilfe, um zu verhindern, dass Menschen aufgrund der Belagerung sterben.

„Ich rufe erneut zu dringenden Treibstofflieferungen auf. Seit fast einem Monat wurde kein Treibstoff mehr geliefert, was verheerende Auswirkungen auf Krankenhäuser, Bäckereien, Wasserwerke und unsere Arbeit hat.

„Unsere Rufe stoßen auf taube Ohren. Ein humanitärer Waffenstillstand ist längst überfällig. Ohne ihn werden noch mehr Menschen getötet, die Überlebenden werden weitere Verluste erleiden, und die einst so lebendige Gesellschaft wird für immer in Trauer versinken.“