Generalsekretär Kofi Annan: AIDS – Die Mauer des Schweigens und der Vorurteile muß niedergerissen werden!

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Generalsekretär unterstreicht globale Herausforderung der Immunschwächekrankheit, verweist auf verheerende Auswirkungen in Afrika, ruft Wirtschaft zum gemeinsamen Handeln auf

LONDON, 25. Juni 1999 – UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat in der Bank von England folgenden, dem Andenken an Diana, Prinzessin von Wales, gewidmeten Vortrag zum Thema „Die globale Herausforderung von AIDS“ gehalten:

Vielen Dank, Herr Prof. Adler (Vorsitzender des AIDS-Kuratoriums des Vereinigten Königreiches) für Ihre überaus herzlichen Worte zur Einleitung. Lassen Sie mich auch dem Nationalen AIDS-Kuratorium für die Organisation dieser Veranstaltung und für die Gelegenheit danken, heute vor Ihnen sprechen zu können. Es ist eine große Ehre für mich. Natürlich hat es mich tief bewegt, daß ich gebeten wurde, als erster einen Vortrag im Gedenken an Prinzessin Diana zu halten. Heute verneigen wir uns vor dem Namen Diana. Aber darüber hinaus danken wir für ihr Leben und für das, was sie getan hat, um das Leben so vieler Menschen zu verbessern.

Es ist auch eine große Ehre für mich, in diesen heiligen Hallen der Bank von England sprechen zu dürfen. Nicht vielen Außenstehende wird dieser Zugang zur ehrwürdigen „Alten Dame“ zuteil. Aber vor allem bin ich dankbar dafür, daß ich über die globalen Herausforderungen von HIV-AIDS sprechen darf, die zu den wichtigsten Anliegen der Vereinten Nationen zählen. Tatsächlich hat es noch niemals zuvor eine derart internationale Krankheit gegeben.

Ich möchte vor allem über die katastrophalen Auswirkungen sprechen, die AIDS auf die Entwicklungsländer hat, besonders auf Afrika. Aber ich möchte Ihnen auch einige positive Nachrichten übermitteln und Ihnen von neuen grenz- und sektorübergreifenden Partnerschaften erzählen, die die Welt zu einem besseren, sichereren Ort machen. Und ich möchte darüber reden, wie insbesondere die Wirtschaft verstärkt und auf unterschiedliche Weise der Herausforderung dieser Krankheit entgegentreten kann und muß.

Einige von Ihnen denken vielleicht, daß mit der Entwicklung besserer Medikamente die AIDS-Gefahr auch schon vorüber sei. Leider ist das nicht der Fall. Es gibt noch immer keine Heilung für AIDS. Der Vormarsch der Immunschwächekrankheit konnte noch in keinem Land gestoppt worden. Sogar in den Industrieländern ist die Infektionsrate in den vergangenen zehn Jahren gleich geblieben. Kurz gesagt, die AIDS-Gefahr ist weiterhin vorhanden – und sie nimmt weiterhin zu.

Aber wir sind ihr nicht ganz hilflos ausgeliefert. Gemeinsam können wir die Krankheit bekämpfen. Aber dazu müssen wir zuallererst dem Schweigen und den Vorurteilen entgegentreten, die sich gegen diese Krankheit verschworen haben. Für alle, die mit HIV und AIDS leben, ist diese Verschwörung ein Feind, der nicht minder tödlich ist als die Krankheit selbst.

Beginnen wir damit, uns diesen harten Tatsachen zu stellen:

  • AIDS ist weit mehr als nur ein medizinisches Problem.
  • AIDS ist weit mehr als nur ein nationales Problem.
  • AIDS ist noch lange nicht vorüber.

Heute sind mehr als 33 Millionen Menschen infiziert. Mehr als 14 Millionen Menschen sind an dieser Krankheit bereits gestorben. Schon Ende 1997 hatten mehr als acht Millionen Kinder ihre Mütter durch diese Krankheit verloren. Und die Seuche breitet sich in andere Richtungen aus – so z.B. in Osteuropa, wo das Virus noch vor fünf Jahren fast unbekannt war. In Indien sitzt HIV nun tief in der Bevölkerung und breitet sich dort auch in den ländlichen Gebieten aus, die man bisher von der Infektion verschont glaubte. Im südlichen Bundesstaat Tamil Nadu, wo 45 Millionen Menschen leben, ergab eine Untersuchung, daß bereits eine halbe Million Menschen infiziert ist und daß die Infektionsrate jetzt in den Dörfern dreimal so hoch ist wie in den Städten. In Indien leben heute mehr HIV-infizierte Menschen als in irgend einem anderen Land der Welt. In Ostasien und im Pazifik stieg die Infektionsrate zwischen 1996 und 1998 um 70 Prozent.

Wenn wir nicht rasch handeln, könnten diese Regionen schon bald so schlimm betroffen sein wie viele Teile Afrikas, wo jetzt ganze Nationen unter dem Schatten von AIDS leben. Ein Kind, das in den nächsten sechs Jahren in Botswana zur Welt kommt, sollte eigentlich eine Lebenserwartung von 70 Jahren haben. Infolge von AIDS ist es jedoch recht wahrscheinlich, daß das Kind bereits mit 41 Jahren stirbt.

In jeder Minute, in der Sie und ich unseren Alltagsaufgaben nachgehen, werden vier oder mehr junge Afrikaner infiziert. Und jeden Tag begräbt Afrika fünfeinhalbtausend Söhne und Töchter seines Kontinents, die an AIDS gestorben sind. Das ist nicht nur eine unaussprechliche Tragödie für die unmittelbar Betroffenen und ihre Familien. AIDS hat auch katastrophale ökonomische Auswirkungen auf diese Länder. AIDS macht die schwer erkämpften Erfolge in allen Entwicklungsländern zunichte. Die Krankheit fordert nicht nur Opfer unter den Brotverdienern sondern auch unter jenen, die sich um die Kindererziehung, die Altenpflege und die Behindertenhilfe kümmern. Sie zerstört die Grundsubstanz der Gesellschaft.

Schon 1997 warnte Nelson Mandela vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos: “AIDS tötet jene, die die Gesellschaft braucht, um die Ernte einzufahren, um in den Bergwerken und Fabriken zu arbeiten, um Schulen zu leiten und Länder zu regieren.“ In seinem Land – dem gleichen Südafrika, das vor fünf Jahren für alle Afrikaner ein leuchtender Stern der Hoffnung war – ist heute jede fünfte schwangere Frau mit AIDS infiziert. Afrikas Gesundheitswesen ist praktisch zur Gänze durch die Hilfe für AIDS-Infizierte ausgelastet, auf Kosten anderer Aufgaben im Gesundheitsbereich. In einigen Ländern werden die für die AIDS-Hilfe aufgewandten Kosten bald die Hälfte der Gesundheitsetats ausmachen.

In der Elfenbeinküste stirbt jeden zweiten Tag ein Lehrer. Im gesamten südlichen Afrika verlassen Mädchen die Schule, um ihre sterbenden Eltern zu pflegen. Jungen verlassen die Schule, um auf ihre verwaisten Geschwister aufzupassen.

Die besondere Anfälligkeit der Frauen führt bei ihnen zu einem Anstieg der Infektionen und damit auch zu vermehrten Infektionen unter den Neugeborenen. Daraus resultiert oft eine doppelte, ja dreifache Belastung der Frau, die sich gleichzeitig um ihre kranken Männer und Kinder kümmern muß. Und so kommt eines zum anderen. Von der Armut beschleunigt, macht AIDS die Gesellschaft noch ärmer und daher noch anfälliger für Infektionen. In der Folge kommt es zu Diskriminierungen, Vorurteilen und oft auch zu Menschenrechtsverletzungen. Auf diese Weise wird Afrika nicht nur seiner Gegenwart, sondern auch seiner Zukunft beraubt.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen von AIDS zeigen sich auf globaler wie auf lokaler Ebene, bei der Finanzplanung wie in den Fabriken. Eine Wirtschaftsstudie in Kenia fand heraus, daß HIV/AIDS die Firmen fast vier Prozent ihrer jährlichen Gewinne kostet. Kenias Bruttosozialprodukt wird im Jahre 2005 aufgrund dieser Krankheit um 15 Prozent geringer sein, als ohne AIDS. Die Folgen für einzelne Unternehmen können verheerend sein. Afrikas Wirtschaft muß höhere Ausfallraten unter den Beschäftigten verkraften, kann auf immer weniger ausgebildete Arbeiter zurückgreifen und muß höhere Kosten für Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und Ableben veranschlagen. Diese mikro-ökonomischen Auswirkungen machen sich bis zu einem gewissen Grad schon bei allen Unternehmen in Entwicklungsländern bemerkbar. Zusammengenommen, zeitigen sie schwerwiegende makro-ökonomische Folgen, die auch schon in den Industrieländern spürbar sind.

Afrika, das einst als vielversprechender Markt für potentielle Handelspartner galt, wird diese Rolle in den nächsten Jahre wohl kaum spielen können, da AIDS an seinen Ressourcen zehrt. Wenn sich die Krankheit in Asien weiter ausbreitet, wird auch dort der Handel leiden, wenn Millionen Menschen an AIDS erkranken und sterben. Bewegen wir uns in einer unendlichen Abwärtsspirale von Tod und Verzweiflung?

Mein Kollege Dr. Peter Piot, der Leiter von UNAIDS, meinte dazu: „AIDS ist zu einer permanenten Herausforderung an menschliche Solidarität und Einfallsreichtum geworden.“ Diese Herausforderung kann man ohne finanzielle Mittel nicht bewältigen. Es ist klar, daß die 150 Millionen Dollar, die momentan für die AIDS-Hilfe in Afrika ausgegeben werden, nicht annähernd ausreichen. Um auch nur ein Minimum an wirksamer Hilfe zu leisten, müßten die Mittel mindestens versechsfacht werden.

In diesem Land, wie in anderen Teilen des im Wohlstand lebenden Westens haben wirksame „Medikamenten-Cocktails“ große Erleichterung gebracht – obgleich das HIV-Virus so schnell und effektiv mutiert, daß die medizinische Forschung und die Ärzteschaft alle Hände voll zu tun haben, um hier Schritt zu halten. Aber selbst wenn diese „Cocktails“ die medizinische Antwort auf AIDS wären, sind diese Medikamente für jene Länder, die von der Krankheit am stärksten betroffen sind, praktisch unerreichbar. Für die meisten Menschen, die mit heute mit HIV/ AIDS leben sind jährliche Therapiekosten von zehn- bis sechzigtausend Dollar utopisch. Eine unserer wichtigsten Aufgaben besteht daher darin, auch diesen Menschen die erforderlichen Medikamente zugänglich zu machen. Wir müssen kostengünstige, wirksame Therapieformen entwickeln, die sich auch Entwicklungsländer leisten können – z.B. um die Übertragung der Krankheit von der Mutter auf das Kind oder in Verbindung mit AIDS stehende Krankheiten wie Tuberkulose zu bekämpfen. Wir müssen die Gesundheitssysteme verbessern, um dem gestiegenen Bedarf Rechnung zu tragen.

Dies ist besonders in Afrika südlich der Sahara dringend notwendig, wo die meisten AIDS-Patienten leben, die Gesundheitssysteme schwach und die finanziellen Ressourcen gering sind. Die Erfahrung in einigen Ländern zeigt, daß dieses Ziel erreicht werden kann. Aber wie groß auch immer die Erfolge bei der Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten sein mögen, unsere größte Hoffnung und unser vordringlichstes Ziel muß es sein, zu verhindern, daß Menschen überhaupt infiziert werden. Die ersehnte Hilfe, die Geheimwaffe, auf die wir hoffen, bleibt ein wirksamer Impfstoff. Um ihn zu finden, brauchen wir Geduld, Engagement und Geld. Aber wir müssen es weiter versuchen.

Die vielen wissenschaftlichen und ethischen Herausforderungen können nur in weltweitee Zusammenarbeit von Regierungen, Wissenschaft und Industrie gemeistert werden. UNAIDS und seine Mitstreiter arbeiten an vielen Fronten, um die Entwicklung neuer Impfstoffen voranzutreiben und nach wissenschaftlich und ethisch vertretbaren Wegen zu suchen, um sie zum Nutzen der Entwicklungsländer zu testen. So trägt das UNAIDS-Sekretariat dazu bei, sicherzustellen, daß die Pharmakonzerne HIV-Viren aus Entwicklungsländern als Ausgangsmaterial für die Entwicklung von Impfstoffen verwenden. Jahrelange gemeinsame Vorarbeiten von WHO und UNAIDS machten den ersten Test eines HIV-Impfstoffes in Uganda in diesem Februar möglich.

Die Weltbank, die ebenfalls mit UNAIDS zusammenarbeitet, untersucht die Schwächen des Marktes, die zur geringen Investitionsbereitschaft für die Entwicklung von AIDS-Impfstoffen geführt haben und nach Möglichkeiten, wie mehr private Gelder für diesen Zweck aufgetrieben werden können. Mit Hilfe des Internationalen Beirats für Impfstoffe stellt UNAIDS ein Forum für die globale Planung und Koordinierung zur Verfügung. Zu den Forschungspartnern zählen der Medizinische Forschungsrat des Vereinten Königreiches und die Internationale AIDS-Impfstoff-Initiative – eine wirklich universale Partnerschaft, in der das Nationale AIDS-Kuratorium der Partner im Vereinigten Königreich ist. Dieser Initiative gelang es – beginnend im vergangenen Jahr mit Großbritannien – finanzielle Zusagen von Regierungen zu erhalten. Auch prominente Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, wie Bill Gates, der 25 Millionen Dollar gespendet hat, und aus der Zivilgesellschaft haben sich beteiligt.

Immer mehr Menschen erkennen, daß “AIDS jeden angeht“. Das ist auch das Motto von UNAIDS, der Partnerschaft, in der sieben Sponsoren aus verschiedenen Bereichen der Vereinten Nationen mitwirken. Das Kinderhilfswerk (UNICEF), das UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP), der Bevölkerungsfonds (UNFPA) und das Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen (UNDCP), die UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltbank arbeiten Hand in Hand mit dem UNAIDS-Sekretariat, um den Ländern ihr gebündeltes Know-how und ihre Hilfe zur Verfügung zu stellen.

Immer mehr Unterstützung erhält UNAIDS aber auch von außerhalb des UNO-Systems – von Aktivisten an der Basis über private und öffentliche Unternehmen bis hin zu Staatsoberhäuptern. In den vergangenen beiden Jahrzehnten haben wir sowohl aus den Erfolgen als auch aus den Rückschlägen in Afrika und anderen Teilen der Welt gelernt. Wir wissen heute viel besser darüber Bescheid, wie man neuen Infektionen vorbeugen kann, wie man mit AIDS-Infizierten umgehen muß und wie man die Folgen von AIDS für Familien und Gesellschaft verringern kann. Die Aufgabe besteht nun darin, die Erfolge in größerem Rahmen und in weit mehr Ländern zu wiederholen und anzupassen. Dazu bringt UNAIDS Regierungen mit Hilfsorganisationen, Lobbygruppen und – nicht zuletzt – mit dem privaten Sektor zusammen.

Wie ich zu Beginn sagte: die erste Schlacht, die wir im Krieg gegen AIDS gewinnen müssen, ist die Mauer von Schweigen und Vorurteilen niederzureißen.

Nirgendwo ist dies notwendiger als in Afrika. In den vergangenen Jahren haben viele afrikanische Regierungen zumindest verstanden, daß das öffentliche Eingeständnis der AIDS-Problematik ein erster Schritt dazu ist, die Krankheit in de Griff zu bekommen und potentielle Investoren anzuziehen und nicht abzuschrecken. Viele afrikanische Politiker sprechen nun die AIDS-Frage offen an und bemühen sich, alle Teile der Gesellschaft im Kampf gegen die Krankheit zu mobilisieren.

In Botswana wurde im vergangenen September ein landesweiter Plan zum Kampf gegen AIDS von Präsident Mogae ins Leben gerufen. 80 Prozent der finanziellen Mittel dafür kommen aus dem Land selbst. In Lesotho wurde das AIDS-Budget verdoppelt. In Swasiland hat die Regierung AIDS den Kampf angesagt und zwar nicht nur mit Worten sondern mit Taten. In Namibia hat die Regierung ein neues nationales AIDS-Programm vorgelegt und in Südafrika wurde im vergangenen Oktober ein Plan verabschiedet, der alle Teile von Gesellschaft und Regierung einbindet.

Die Menschen erkennen immer öfter, daß eine Antwort auf AIDS auch den Menschenrechten Rechnung tragen muß. In aller Welt müssen Menschen mit AIDS erleben, daß ihre Rechte verletzt und ihre Grundfreiheiten eingeschränkt werden. Das wird sich nur ändern, wenn Regierungen und Arbeitgeber mit den Betroffenen zusammenarbeiten, um das zu ändern. Daher haben die Vereinten Nationen im Vorjahr internationale Richtlinien über AIDS und Menschenrechte veröffentlicht, in der die Verantwortung der Regierungen wie der Wirtschaft dargestellt werden. Insbesondere der private Sektor wurde dazu aufgerufen, professionelle Verhaltensnormen zu entwickeln, die die Menschenrechte für alle von AIDS und HIV Betroffenen in vollem Umfang garantieren sollen.

Kein Unternehmen und keine Regierung kann sich der Herausforderung von AIDS alleine stellen. Was wir brauchen, ist ein neuer Ansatz im Gesundheitswesen, der alle verfügbaren Mittel, öffentliche wie private, und alle Möglichkeiten, lokale wie globale, miteinander verknüpft. Wenn das Geld gefunden ist, wird es nicht verschwendet. Erfahrungen in Uganda und Thailand – um nur zwei Entwicklungsländer zu nennen – haben gezeigt, daß die Zahl der Neuinfektionen erfolgreich reduziert werden kann, wenn die Größe des Problems bekannt ist und es gut durchdachte und ausreichend finanzierte präventive Antworten gibt. Unternehmen können eine wichtige Rolle spielen, wenn sie ein Forum zur Aufklärung über HIV schaffen und innerhalb der Wirtschaftswelt eine Vorbildfunktion übernehmen.

Ein großes britisches Unternehmen, Glaxo Welcome, hat eine Stiftung mit dem Namen “Positive Action“ ins Leben gerufen, die bereits mehr als 25 Millionen Pfund in Gemeinschafts- und Partnerschaftsprojekte investiert hat. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Stiftung hat mit einem Vierjahres-Prävention- und Therapieprogramm ausgewählte Patientengruppen in der Elfenbeinküste unterstützt, mit dem Schwerpunkt zur Verhinderung der Infektion von Neugeborenen durch ihre Mütter.

Das ist nur ein Unternehmen, das erkannt hat, daß AIDS “jeden angeht“. Glücklicherweise gibt es noch andere Beispiele. So hat etwa das nepalesische Unternehmen “Get Paper“ bei der Gründung einer Organisation zur Gesundheitsförderung geholfen. Vor sechs Jahren hatte es das noch nicht gegeben. Mit Hilfe seines britischen Kunden “The Body Shop“ wurde ein AIDS-Informationsstand für Bus- und Lastwagenfahrer aufgebaut. Damit konnten 12 Prozent der Bevölkerung angesprochen werden, eine Präventivmaßnahme, die regelmäßig Unterstützung aus dem Ausland erhält. In Nigeria hat der Ölkonzern “Chevron“ einen ebenso phantasievollen wie hartnäckigen Versuch zur AIDS-Prävention unternommen und damit sowohl die Gesellschaft als auch seine eigenen Angestellten geschützt. In Südafrika hat “Eskom“, eine Elektrizitätsgesellschaft mit 37.000 Beschäftigten, vor sechs Jahren HIV/AIDS zur strategischen Priorität erklärt. Als Ergebnis können nun Zuschüsse an AIDS-infizierte Beschäftigte und deren Familien ausgezahlt werden. Außerdem werden eigene Krankenhäuser finanziell unterstützt, um Tests durchzuführen, das Immunsystem der Betroffenen zu überwachen und allgemeine medizinische Unterstützung zu leisten.

In Simbabwe hat “Rio Tinto“ Schritte unternommen, um seine Facharbeiter zu schützen. Freiwillige Aktionsgruppen der Beschäftigten wurden ins Leben gerufen, die als Ansprechpartner fungieren und Aufklärungskampagnen durchführen. So verteilt das Unternehmen unter der vorwiegend männlichen Arbeitnehmerschaft seiner Bergwerke Kondome. Viele der Beschäftigten sind lange Zeit von ihren Frauen getrennt. Im vergangenen Monat hat UNAIDS mitgeholfen, eine Initiative eines neuen Partners in Afrika ins Leben zu rufen: “Bristol-Myers Squibb“. Das Unternehmen hat 100 Millionen Dollar für fünf Jahre für eine neue öffentlich-private Partnerschaft zur Verfügung gestellt. Unter dem Motto “Sicherung der Zukunft“ unterstützt diese Partnerschaft Forschungsprojekte, Erziehungs- und soziale Maßnahmen im gesamten südlichen Afrika.

Dies sind ermutigende Beispiele, die zeigen, daß gemeinsame Anstrengungen Großes bewirken können. In diesem Zusammenhang muß ich die Pionierarbeit loben, die vom Wirtschaftsführerforum der Prinzessin von Wales geleistet wird, das eng mit UNAIDS, WHO und dem Globalen Wirtschaftsrat zusammenarbeitet. Diese Aktivitäten wurzeln nicht in einer altmodischen Philanthropie, oder sind aus Selbstinteresse entstanden, sondern sie fußen auf tiefen Überzeugungen und starkem Realitätssinn.

Immer mehr Wirtschaftsführer erkennen, daß ihre Verantwortung – und ihr Interesse – nicht nur in den Ergebnissen ihrer Tätigkeit für ihre Aktionäre liegt, sondern auch darin, welche Auswirkungen ihre Tätigkeit auf die Gesellschaft und die Welt insgesamt hat. Die Ausbreitung von AIDS ist zum Teil ein trauriges Nebenprodukt der Globalisierung, aber zumindest erkennen wir jetzt die Anfänge einer weltweiten Reaktion.

So möchte ich heute drei Forderungen an die Wirtschaft richten, ob hier im Vereinigten Königreich, in anderen Industriestaaten oder in den Entwicklungsländern:

Erstens, setzen Sie sich im Interesse Ihrer Beschäftigten und deren Familien dafür ein, die Vorurteile gegenüber AIDS-Patienten abzubauen und den Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt sind, entgegenzuwirken. Erlauben Sie HIV-Infizierten, weiter bei Ihnen zu arbeiten und damit ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu bleiben.

Zweitens, tun Sie alles, um die Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz zu schützen und die Ausbreitung von AIDS zu verhindern. Durch Aufklärungsarbeit und durch die Verteilung von Kondomen können Sie dazu beitragen.

Und drittens, verlieren Sie auch den globalen Aspekt nicht aus dem Auge. Erkennen Sie die Tragweite dieser weltweiten Krankheit und schließen Sie sich dem weltweiten Kampf gegen AIDS an. Arbeiten Sie mit den vielen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen zusammen, die an vorderster Front um das Überleben kämpfen.

Wer könnte leugnen, daß der Kampf gegen AIDS eine moralische Pflicht ist? Aber er ist auch ein wirtschaftliches Gebot. Er macht auch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn. Viele von Ihnen, die heute hier anwesend sind, vertreten wichtige Akteure, die bereits in wirksamen Partnerschaften zur Bekämpfung von HIV und AIDS tätig sind. Mit ihren Bemühungen, das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit weiter auf dem AIDS-Problem zu halten, sind das Nationale AIDS-Kuratorium und seine Mitstreiter beispielgebend für andere Industrieländer. Ich weiß, daß Sie auch hier im Vereinigten Königreich vor großen Herausforderungen stehen. Aber Sie haben damit begonnen, auch in anderen Ländern, in denen die Lage besonders schlimm ist, etwas Entscheidendes zu unternehmen.

Gemeinsam verfügen Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaft und Medien über immenses Wissen und Know-how, über großen Einfluß und große Mittel. Der Globale Wirtschaftsrat für HIV/AIDS, in dem “Glaxo Welcome“ eine führende Rolle einnimmt, hilft bei der Mobilisierung dieser Ressourcen, vor allem zur Unterstützung der nationalen Räte in Botswana, Brasilien, Mexiko, Südafrika und Thailand. Das Nationale AIDS-Kuratorium hat jetzt die Initiative ergriffen, im Rahmen dieses Netzwerkes auch im Vereinigten Königreich einen Wirtschaftsrat für HIV und AIDS zu gründen. Ich hoffe, daß andere Länder diesem Beispiel bald folgen.

Lassen Sie mich zum Abschluß noch einmal meine wichtigste Botschaft wiederholen:

AIDS ist nicht vorüber. Die Krankheit geht nicht nur ein paar weit entfernte Länder an. Sie ist eine Gefahr für eine ganze Generation, ja für die gesamte menschliche Zivilisation. Die Frage ist nicht, ob noch mehr Menschen sterben müssen. Viele Menschen werden an dieser Krankheit noch sterben. Die Frage ist: Wird AIDS nur von dieser Generation Opfer fordern oder auch von der nächsten und der übernächsten?

An die Adresse von Prinzessin Diana, wäre sie heute bei uns, möchte ich schließlich noch sagen: Sie haben die Herzen von Millionen gewonnen, indem Sie Ihre eigene menschliche Verletzlichkeit zugegeben haben. Und Sie haben als eine der ersten in diesem Land den Kampf gegen das Schweigen und die Vorurteile gegenüber AIDS aufgenommen. Vielleicht war es gerade Ihre Verletzlichkeit, die Ihnen die Kraft für Ihr leidenschaftliches Engagement gegeben hat. Vielleicht war es gerade das, was Ihnen Ihre einzigartige Gabe des Zuhörens, Ihren Wunsch zu hören und zu helfen und Ihren Mut gegeben hat, sich für die besonders Verwundbaren dieser Welt einzusetzen. Vielleicht war es das, was andere dazu bewegt, Ihnen nachzueifern.

Vermutlich bedarf es dieser besonderen Art der Sensibilität, um das zu tun, was Diana getan hat. Alle anderen können sich daran nur ein Beispiel nehmen. Mit diesem Vorbild vor Augen, können wir die Hilfsbedürftigen dieser Erde nicht einfach dem unnötigen Tod oder dem Verfall überlassen. Diana hat zuviel gegeben, hat sich zu sehr engagiert, als daß wir ihr Andenken nicht durch Taten ehren müßten.

In einigen Teilen Afrikas wird AIDS mit “Schande ist auf die Erde gefallen“ übersetzt. Meine Freunde, die Schande wird in der Tat auf die Erde fallen, wenn wir jenen, die an AIDS leiden, den Rücken kehren und sie links liegen lassen. Schande wird auf uns alle fallen, wenn wir nicht alles tun, um jede Spur von Vorurteil und Diskriminierung aufgrund dieser Krankheit zu beseitigen.

Heute haben wir die Chance, harten Realitätssinn und gefühlsmäßigen Idealismus auf einen Nenner zu bringen und Eigeninteresse mit Gemeinschaftsverantwortung zu verbinden. Eine Gelegenheit, die nicht häufig kommt.

Um Dianas und jener Millionen Menschen Willen, die heute mit AIDS leben oder schon morgen vom Schatten dieser Krankheit getroffen werden können, müssen wir diese Chance jetzt nutzen oder in ewiger Schande leben.

Fällt die Wahl wirklich so schwer?