Generalsekretär Kofi Annan: Die Welt darf nicht kurz vor dem “Sieg über die Armut“ verzagen

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Erklärung zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut – 17. Oktober

NEW YORK, 17. Oktober 1998 – Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat die Beseitigung der Armut zu einem ihrer vorrangigen Ziele in den 90er Jahren erklärt. Der Internationale Tag für die Beseitigung der Armut soll auf die Ursachen von Armut und die Notwendigkeit ihrer Bekämpfung aufmerksam machen. UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat aus diesem Anlaß folgende Erklärung veröffentlicht:

Mit dem Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut bietet sich uns allen eine Gelegenheit, über die dringlichste Aufgabe unserer Zeit nachzudenken.

In den vergangenen drei Jahrzehnten sind wir Zeugen einer unglaublich raschen Verbesserung der Lebensbedingungen von Milliarden Menschen gewesen. Ein heute in einem Entwicklungsland geborenes Kind hat eine um 16 Jahre höhere Lebenserwartung als ein vor 35 Jahren geborenes Kind. Die Kindersterblichkeit hat sich seit 1960 halbiert, und der Anteil der im ländlichen Raum lebenden Familien mit Zugang zu sauberem Wasser ist von zehn Prozent auf 60 Prozent gestiegen.

Dies ist ein ermutigender Fortschritt. Er ist ebenso den ungeheuren Anstrengungen der Entwicklungsländer und der armen Leute zu verdanken, wie den Entwicklungen in der Medizin und in der Nahrungsmitteltechnologie. Dieser Fortschritt ist auch eine Errungenschaft der über 50jährigen Entwicklungszusammenarbeit. Ich bin stolz darauf, daß die Vereinten Nationen diesen internationalen Prozess angeführt haben.

Aber aktuelle Ereignisse beweisen, daß sich solche Errungenschaften ins Gegenteil verkehren können. Die Finanzkrise hat zu fallenden Exportpreisen geführt, die Sozialausgaben gedrückt und die Arbeitslosenraten ansteigen lassen. Überall sind es die Armen, die dabei den höchsten Preis zahlen. In vielen Ländern erfahren die in den vergangenen drei Jahrzehnten so mühsam erzielten Fortschritte bei der Armutsbekämpfung durch diese Krise einen rapiden Rückschlag; die Fortdauer der Armut bedroht das Gesamtgebäude der Globalisierung. Diese Situation ist weder moralisch hinnehmbar noch ökonomisch sinnvoll. Sie ist auch Ursache für anhaltende politische Instabilität.

Die Verpflichtung zur Beseitigung der absoluten Armut muß ganz oben auf der internationalen Tagesordnung stehen. Die Entwicklungsländer tragen ihren Teil dazu bei. Der neue Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen “Überwindung menschlicher Armut“, der heute herausgegeben wird, erinnert uns daran, daß fast zwei Drittel aller Staaten Pläne und Programme zur Beendigung der Armut erstellt haben; aber erst ein Drittel der Staaten hat sich konkrete, befristete Ziele gesetzt. Die internationale Gemeinschaft muß mehr tun.

Der Kampf um die Beseitigung von Armut ist in eine kritische Phase getreten. Wir haben die Wahl: Wollen wir diesen Kampf gewinnen und die Massenarmut in den frühen Jahren des 21. Jahrhunderts beenden, oder wollen wir diese Chance vorübergehen lassen? Lassen Sie uns eine hoffnungsvolle Botschaft an die Armen dieser Welt richten und kein resigniertes Schweigen! Lassen Sie es nicht zu, daß uns kommende Generationen vorwerfen, wir hätten zwar die Macht gehabt, viel zu tun, aber wir seien an der Schwelle zum Sieg über die Armut verzagt umgekehrt.

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Hintergrundinformationen zum Bericht des Generalsekretärs über die Erste UNO-Dekade zur Beseitigung der Armut (1997-2006) erhalten Sie bei UNIC Bonn und im Internet unter: http://www.un.org/rights/poverty/