Generalsekretär Kofi Annan: Weder Umwelt- noch Entwicklungsprobleme können isoliert gelöst werden

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Erklärung zum „Internationalen Tag der Biologischen Vielfalt“ – 29. Dezember 1998

NEW YORK, 29. Dezember – Am 29. Dezember 1993 trat die Konvention über die Biologische Vielfalt in Kraft. Auf Vorschlag der Vertragsstaaten dieser Konvention beschloß die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 19. Dezember 1994, den 29. Dezember zum Internationalen Tag der Biologischen Vielfalt zu erklären.

Die Bedrohung der biologischen Vielfalt ist eine Bedrohung für alle Arten auf der Erde. Wir können nicht länger ungestraft Feuchtgebiete, Wälder, Lebensräume im Meer und an der Küste zerstören, denn diese vom Menschen jetzt verursachten Zerstörungen gefährden das Überleben künftiger Generationen.

Heute, am fünften Jahrestag des Inkrafttretens der Konvention über Biologische Vielfalt möchte ich zwei Aspekte besonders hervorheben: Erstens, die Notwendigkeit, die maßgeblichen Verbindungen zwischen dieser und anderen Konventionen aus dem Umweltbereich, sowie den internationalen Maßnahmen und Programmen zur Umsetzung nachhaltiger Entwicklung zu erkennen und entsprechend zu handeln. Und zweitens, die Bedeutung eines erfolgreichen Abschlusses der Verhandlungen über ein Protokoll zur biologischen Sicherheit im Rahmen der Konvention.

Globale Umweltprobleme, wie beispielsweise der Verlust an Artenvielfalt, Abholzung, Degradierung von Land und Wüstenbildung, stehen in einem Zusammenhang und werden von den gleichen Kräften vorangetrieben. So war das Ausmaß der vom Wirbelsturm „Mitch“ verursachten Zerstörungen nicht nur auf seine Stärke zurückzuführen, sondern auch auf die angegriffene ökologische Widerstandsfähigkeit der Region, die wiederum auf der biologischen Gesundheit ihrer Ökosysteme basiert. Auch die Chancen eines ökologischen Wiederaufbaus in der Region sind in gleichem Maße abhängig von der Gesundheit der dortigen Ökosysteme.

Das Gleiche gilt für viele andere Themen auf der Agenda der Vereinten Nationen. Der Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Landnutzung sind zentrale Faktoren für die biologische Vielfalt, den Naturschutz und nachhaltige Entwicklung. Unsere politischen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen müssen die ökologische Realität dieser Zusammenhänge berücksichtigen.

Die Konvention über Biologische Vielfalt trägt diesen wechselseitigen Abhängigkeiten ebenso Rechnung wie die Art und Weise, auf die sich die Vereinten Nationen im allgemeinen bemühen, Umwelt- und Entwicklungsthemen anzugehen. Tatsächlich besteht der wichtigste Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung darin, daß weder Umwelt- noch Entwicklungsprobleme isoliert angegangen werden können. Die Herausforderung, vor der wir heute stehen, besteht nicht nur darin, daß wir diese Zusammenhänge erkennen, sondern auch darin, daß wir entsprechend handeln. Das bedeutet, daß wir unsere Maßnahmen so gestalten müssen, daß sie auf der Arbeit anderer aufbauen. Und das heißt, daß wir zusammenarbeiten müssen und nicht getrennt oder manchmal sogar mit entgegengesetzter Zielsetzung.

Ein Beispiel für eine derartige Kooperation bieten die Synergie und die Harmonie der Bemühungen zur Umsetzung der Rio-Konventionen – vor allem bei den Verknüpfungen, die bezüglich der Wälder, der Lebensräume im Meer und an der Küste, den trockenen und halbtrockenen Ökosystemen, der Informationsverwaltung sowie der Ausbildung von Fähigkeiten auf nationaler Ebene hergestellt wurden. Ich fordere die internationale Gemeinschaft dringend dazu auf, diese Bemühungen so umfassend wie möglich zu unterstützen.

Die Verhandlungen über ein Protokoll, das den grenzüberschreitenden Transport von lebenden, veränderten Organismen regelt, nähern sich ihrem Ende. Obwohl die Biotechnologie ein erhebliches Potential besitzt, unsere Entwicklung voranzubringen, könnte sie, wie andere neue Technologien, auch negative Auswirkungen haben. Ich begrüße daher den vorsichtigen Ansatz, den die Vertragsstaaten der Konvention verfolgen, die dieses Protokoll aushandeln. Es sollte als Modell für den Umgang mit anderen Themen auf der Agenda der nachhaltigen Entwicklung herangezogen werden. In diesen Verhandlungen werden viele schwierige Themen ausgeklammert. Großes Vertrauen und Verständnis seitens aller betroffenen Staaten wird notwendig sein, um ein Protokoll über die biologische Sicherheit anzunehmen und umzusetzen. Daher fordere ich die Regierungen und alle anderen Beteiligten dazu auf, sich an den Verhandlungen in Cartagena, Anfang 1999, konstruktiv und flexibel zu beteiligen. Um Erfolg zu haben, werden wir Ihre ganze Kreativität und Ihr gesamtes positives Denken benötigen.