Generalversammlungspräsident schlägt Erweiterung des Sicherheitsrats auf 24 Mitglieder vor

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Razali Ismail: Kein Vetorecht für zusätzliche ständige Ratsmitglieder

Generalversammlungpräsident Razali Ismail (Malaysia) hat gestern die Erhöhung der Zahl der Mitglieder im UNO-Sicherheitsrat von derzeit 15 auf 24 Mitglieder vorgeschlagen. Danach soll es fünf neue ständige und vier neue nichtständige Mitglieder im Rat geben. Von den fünf neuen ständigen Ratsmitgliedern sollen zwei aus den Industriestaaten kommen, je ein Sitz von Afrika, Asien, sowie Lateinamerika und der Karibik besetzt werden. Razali Ismail unterbreitete diesen Vorschlag als Vorsitzender der Arbeitsgruppe, die sich mit Fragen der Sicherheitsratsreform befaßt.

Der Vorschlag wurde als Resolutionsentwurf vorgelegt. Er lehnt sich weitgehend an die Formulierungen der Charta der Vereinten Nationen an und umfaßt alle Aspekte der Sicherheitsratsreform. Neben der Aufstockung der Mitgliederzahl geht der Text vor allem auf das Beschlußverfahren, wie z.B. die Anwendung des Vetorechts, und auf die Arbeitsmethoden des Rates ein.

Nach der langwierigen Arbeit der letzten drei Jahre sei es nunmehr an der Zeit, in eine neue Phase der Verhandlungen einzutreten, erklärte der Generalversammlungspräsident. Er warnte gleichzeitig davor, der Versuchung zu erliegen, ein Junktim zwischen den Ergebnissen der fünf verschiedenen Reformarbeitsgruppen der Generalversammlung zu fordern. Dies könnte den gesamten Reformprozeß gefährden und in eine Sackgasse führen.

Sein Vorschlag sei von der allgemein anerkannten Notwendigkeit ausgegangen, die Repräsentativität, Glaubwürdigkeit, Legitimität und Autorität des Sicherheitsrates zu stärken, betonte Razali Ismail. Er sehe die Aufgabe der Reformarbeitsgruppe darin, eine qualitative Verbesserung aller Arbeitsbereiche des Sicherheitsrates einzuleiten, damit der Rat seiner primären Verantwortung für die Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im Auftrag aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wirksamer nachkommen könne. Er habe sich daher um einen fairen und ausgewogenen Entwurf bemüht.

Erhöhung der Mitgliederzahl

Die Zahl der Mitglieder des Sicherheitsrates soll durch die Erweiterung um fünf ständige und vier nichtständige Sitze von derzeit 15 auf 24 Mitglieder erhöht werden. Die fünf neuen ständigen Ratssitze sollen von je einem Repräsentanten aus Afrika, Asien sowie Lateinamerika und der Karibik, und von zwei Industriestaaten eingenommen werden. Bestimmte Länder werden in dem Vorschlag allerdings nicht genannt. Die vier neuen nichtständigen Sitze sollen mit je einem Vertreter aus den afrikanischen, asiatischen, osteuropäischen und lateinamerikanischen bzw. karibischen Staaten besetzt werden.

Nach dem jetzt vorliegenden Vorschlag sollen alle Anwärter für einen ständigen Ratssitz ihre Bereitschaft erklären, die damit verbundenen Verantwortungen auf sich zu nehmen. Kein Staat kann zu einem neuen ständigen Ratsmitglied gewählt werden, wenn nicht gleichzeitig die anderen vier auch aufgenommen werden. Die Wahl muß zumindest mit einer Zweidrittelmehrheit in der Generalversammlung erfolgen. Dadurch soll eine “Quick-fix“ Lösung verhindert werden.

Durch die Erweiterung um neun Mitglieder sollen auch kleiner Entwicklungsländer die Chance erhalten, im Sicherheitsrat mitzuarbeiten. Sechs der neun neuen Mitglieder sollen aus den Entwicklungsländern kommen. Insgesamt würde die Gruppe der Entwicklungsländer mit China dann 14 der 24 Ratsmitglieder stellen, darunter vier ständige.

Beschlußfassungsverfahren

In dem Vorschlag des Präsidenten der Generalversammlung werden die ursprünglichen fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates (China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, Vereinigte Staaten) eindringlich ersucht, die Ausübung ihres Vetorechts auf Beschlüsse über Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der UNO-Charta (Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen) zu beschränken. Den neuen ständigen Mitgliedern soll kein Vetorecht eingeräumt werden.

Damit soll einerseits ein erster konkreter Schritt getan werden, um die Ausübung des Vetorechts, außer bei Fragen der Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, politisch unhaltbar zu machen. Andererseits trägt der Vorschlag auch der harten Realität Rechnung, daß die Mitglieder der Generalversammlung die Ausübung des Vetorechtes nicht beschneiden können, es sei denn durch eine Novellierung der Charta, die wiederum nur mit den Stimmen der ständigen Ratsmitglieder möglich ist.

Man könne dagegen einwenden, betonte der Generalversammlungspräsident, daß dieser Vorschlag eine Kategorie von ständigen Mitgliedern zweiter Klasse schaffe und damit die neuen ständigen Mitglieder diskriminiert. Doch damit müsse man leben. Angesichts der überwältigenden und so gut wie einstimmigen Kritik am Vetorecht halte er es sowohl für inkonsequent als auch für logisch und moralisch unhaltbar, auch den neuen ständigen Ratsmitgliedern ein Vetorecht einzuräumen. Dies würde das Ungleichgewicht nur verschärfen. Die neuen ständigen Mitglieder würden gewählt und hätten keine “ererbten Rechte“ aus dem Nachlaß des Jahres 1945, erklärte Razali Ismail.

Zeitplan

Für die Umsetzung seines Vorschlages sieht der Generalversammlungspräsident folgenden Zeitplan vor:

1. Die Arbeitsgruppe oder die Generalversammlung selbst sollen in der Zeit zwischen Juni und September einen entsprechenden Grundsatzbeschluß fassen.

2. Bis Ende Februar 1998 sollen die Anwärter für einen der neuen ständigen Sitze im Sicherheitsrat ihr Interesse bekunden und sich in der Generalversammlung um eine Zweidrittelmehrheit bemühen. Die Wahl der fünf neuen ständigen Mitglieder muß dabei gleichzeitig erfolgen.

3. Eine Woche später sollen die notwendigen Änderungen der UNO-Charta in der Generalversammlung beschlossen werden. Ratifikation und Inkrafttreten der Änderungen können nur mit Zweidrittelmehrheit erfolgen, einschließlich der Ratifikation durch die derzeitigen fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates. Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Änderungen soll eine Überprüfungskonferenz stattfinden, um die bis dahin gemachten Erfahrungen zu analysieren.

Arbeitsmethoden

Der Vorschlag enthält auch eine Reihe von Anregungen zur Verbesserung der Transparenz der Arbeitsweise des Sicherheitsrates und zur Stärkung der Unterstützung seiner Beschlüsse durch alle Mitgliedstaaten. U.a. werden vorgeschlagen:

  • regelmäßige monatliche Konsultationen zwischen dem Präsidenten der Generalversammlung und dem Präsidenten des Sicherheitsrates, an denen auch die Vorsitzenden der Hauptausschüsse der Generalversammlung und die Mitglieder des Rates teilnehmen sollen;

  • Förderung der Konsultationen zwischen den Mitgliedern des Sicherheitsrates und den von einem Beschluß des Rates am meisten betroffenen Ländern;

  • Einführung eines Konsultationsverfahrens während des Beschlußfassungsprozesses über Einsetzung, Verlauf und Abschluß von Friedenssicherungsmaßnahmen;

  • Einführung der Option für betroffene Staaten und Organisationen, in nichtöffentlichen Sitzungen der Sanktionenausschüsse ihre Meinung über Fragen der Durchführung der vom Rat verhängten Zwangsmaßnahmen zum Ausdruck zu bringen;

  • Definition des Begriffes “Verfahrensfrage“ nach Artikel 27(2) der Charta; und

  • stärkere Heranziehung des Internationalen Gerichtshofes durch Anforderung von Rechtsgutachten nach Artikel 96 (1) der Charta.