Menschenrechte sind Anspruch für alle, nicht nur für wenige Privilegierte

UNIC/144

Erklärung der Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Mary Robinson, zum „Tag der Menschenrechte“ – 10. Dezember 1998

GENF, 10. Dezember — Heute vor 50 Jahren kam eine Gruppe von Frauen und Männern aus verschiedenen Kulturen, Traditionen und Glaubensbekenntnissen in Paris zusammen, um der Menschheit eine außerordentliche Vision der Welt zu präsentieren, wie sie sein sollte. Sie beschlossen eine Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die auch noch nach einem halben Jahrhundert genau jene Voraussetzungen anspricht, die für ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen gegeben sein müssen.

Die Allgemeine Erklärung ist nicht nur irgendein internationales Dokument. Sie ist das erste und wichtigste Bekenntnis der internationalen Staatengemeinschaft zu den Menschenrechten als das „von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal“. Sie ist eine Botschaft der Hoffnung, der Gleichberechtigung, der Befreiung und der Befähigung. Sie ist eine Botschaft an alle, die sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt einsetzen.

Diese Botschaft muß auch in unserer Zeit immer wieder Gehör finden. Die schrecklichen Erlebnisse von Millionen Opfern von Menschenrechtsverletzungen, von Armut und Hungersnot, von Analphabetentum und Rassismus führen uns nach wie vor vor Augen, wie weit die Welt von der Verwirklichung der Ideale noch entfernt ist, von denen die Generalversammlung 1948 geleitet wurde. Selbst in diesem Gedenkjahr wurden in vielen Ländern Menschenrechtsaktivisten brutal ermordet. Diese Vorfälle erinnern uns schmerzlich an die unveränderten Herausforderungen, denen wir an der Schwelle zum nächsten Jahrhundert gegenüberstehen.

Die Allgemeine Erklärung lieferte die Worte – jetzt müssen wir mit unseren Taten diesen Worten Nachdruck verleihen. Die internationale Gemeinschaft muß auf den bisher erzielten Fortschritten aufbauen. In aller Welt nimmt eine Kultur der Menschenrechte Gestalt an. Regierungen haben in diesem Jahr wichtige Schritte unternommen, um die Menschenrechte ganz nach oben auf die internationale und nationale Tagesordnung zu setzen. Die Zivilgesellschaft – unzählige Organisationen, die in ihren eigenen Ländern und auf internationaler Ebene für die Förderung der Menschenwürde und der Freiheit eintreten, vor allem zugunsten der besonders gefährdeten, benachteiligten und bedürftigen Gruppen – verstärkt ihren wichtigen Beitrag. Und die Organisationen im Verband der Vereinten Nationen haben wichtige Fortschritte bei der Integration der Menschenrechtsanliegen in alle Arbeitsbereiche des UN-Systems erzielt und damit unsere Möglichkeiten verbessert, allen Partnern in unserem gemeinsamen Einsatz für Frieden, Entwicklung und Demokratie zu helfen.

Der 10. Dezember 1998 ist nicht der Höhepunkt unserer Bemühungen sondern sollte vielmehr ein Herold eines neuen Zeitalters sein, eines Zeitalters, in dem die Menschen in aller Welt einhellig die Ansicht vertreten, daß es sich bei den Menschenrechten nicht nur um hehre Ideale, sondern um konkrete gemeinsame Ziele handelt. Die Menschenrechte sind in den Herzen der Menschen verankert. Sie waren dort lange bevor Gesetzgeber sie erstmals in Worte kleideten. Menschenrechte sind nicht gegen irgendjemanden gerichtet sondern für alle. Menschenrechte sind ein rechtmäßiger Anspruch und eine feierliche Verpflichtung. Menschenrechte müssen ein Grundrecht für alle Menschen sein, nicht nur für einige wenige Privilegierte.