Vorstellungen der UNO zur globalen Finanzreform

UNIC/174
Fakten & Zahlen

NEW YORK, 26. Mai 1999 – Zur Bekämpfung der ansteckenden Auswirkungen globaler Finanzkrisen schlagen die Vereinten Nationen in einem neuen Positionspapier vor, die Liquidität zu erhöhen, regionale Reservefonds einzurichten und die Finanzmärkte strenger zu regulieren. Gleichzeitig soll das Recht der Entwicklungsländer gestützt werden, ihre eigene Kapitalkontroll- und Wechselkurspolitik festzulegen.

Der Bericht der Vereinten Nationen mit dem Titel “Zu einer neuen internationalen Finanzarchitektur“ weist darauf hin, daß das enorme Wachstum sowie die zunehmende Kompliziertheit aber auch Unbeständigkeit der Finanzwelt seit dem Aufbau der Bretton-Woods-Institute nach dem zweiten Weltkrieg zu einem Auseinanderklaffen der Märkte und ihren Regulierungsstrukturen geführt hat.

In der Folge “ist das gegenwärtige internationale Finanzsystem nicht in der Lage, die Weltwirtschaft vor sehr intensiven und häufigen Finanzkrisen und ihren verheerenden Auswirkungen zu schützen“.

Der Bericht wurde Ende Januar von einer UNO-Arbeitsgruppe herausgegeben, der die fünf regionalen Wirtschaftskommissionen, die in Genf angesiedelte Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) sowie die UNO-Hauptabteilung für wirtschaftliche und soziale Fragen angehörten. Er zeigt auf, daß zusätzliche Eventualfonds als ständige Einrichtung des internationalen Finanzsystems geschaffen werden müssen und empfiehlt, dem Internationalen Währungsfonds mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen und ihn zu ermächtigen, Sonderziehungsrechte im Vorgriff auf Krisen in Mitgliedstaaten auszugeben.

“Der antizyklische Einsatz von Sonderziehungsrechten im Umgang mit den Finanzzyklen sollte ein Schritt in ihrer weiteren Entwicklung sein, um künftig als angemessene internationale Währung in einer globalisierten Welt zu dienen“, heißt es in dem Bericht.

Größere Liquidität würde es dem IWF ermöglichen, früher und effizienter einzugreifen, wenn Währungen und Börsen unter Druck geraten und ihm helfen, Schuldenmoratorien auszuhandeln. Verschiedene Fassungen des Moratoriumsvorschlags, der eine Schonfrist für Schuldnerländer vorsieht, um mit den Gläubigern in Krisenzeiten über neue Rückzahlungspläne zu verhandeln, kamen ursprünglich von der UNCTAD und dem ECOSOC-Ausschuß für Entwicklungsplanung und wurden in die Empfehlungen der Arbeitsgruppe aufgenommen.

Die Arbeitsgruppe fordert mehr Transparenz sowohl bei den Kreditgebern als auch bei den Kreditnehmern; belastbarere und mit mehr Finanzmitteln ausgestattete Banksysteme besonders in Entwicklungsländern; und die Regulierung von „Offshore-Investmentfonds“ und Absicherungsfonds, die zu einem großen Teil von Fremdkapital gestützt werden. Ähnliche Vorschläge sind bereits von der G-7 und dem IWF selbst gemacht worden.

Der Förderung einer größeren Rolle des IWF steht die Empfehlung gegenüber, zusätzliche Eventualfonds auf regionaler und subregionaler Ebene einzurichten. Der IWF und sein größter Beitragszahler, die Vereinigten Staaten, hatten sich vorher gegen diesen Vorschlag ausgesprochen, obwohl Japan die Idee eines asiatischen Währungsfonds lanciert hatte.

Der Hauptverfasser des UNO-Berichts, JosÈ Antonio Ocampo, sagte im Januar auf einer Pressekonferenz in New York, daß ein Netzwerk von regionalen und subregionalen Fonds stabiler sein würde als ein einzelner Fonds. Darüber hinaus deutete er an, daß das regionale Management von Eventualfonds und Wirtschaftsüberwachung ein Schritt hin zu größerer regionaler Integration mit ähnlich vorteilhaften Auswirkungen sein könnte, wie die, die in der Europäischen Union erreicht wurden. JosÈ Antonio Ocampo ist der Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) und ehemaliger Finanzminister von Kolumbien.

Die Arbeitsgruppe widerspricht auch der derzeit gängigen Haltung zur Frage der nationalen Kontrollen von Auslandsinvestitionen. Die pauschale Liberalisierung von Kapitaltransaktionen ist eine Linie der Politik, deren Verfolgung den Entwicklungsländern von vielen Industrieländern und dem IWF aufgezwungen wurde, heißt es in dem Bericht. Aber das, was sie fordern, steht im Widerspruch mit ihrer eigenen historischen Erfahrung. Darüber hinaus haben die jüngsten Finanzkrisen gezeigt, daß “eine abrupte oder verfrühte Liberalisierung“ für Schwellen- und Entwicklungsländern nicht angezeigt ist.

Politikkoordination

Tatsächlich haben die G-7 und der IWF nach den Finanzturbulenzen der Jahre 1997-1998 ihren bedingungslosen Widerstand gegen Kapitalkontrollen gelockert. Außerdem hat Untergeneralsekretär Nitin Desai, der Vorsitzende des Exekutivausschusses, von dem der Bericht über die Finanzarchitektur in Auftrag gegeben wurde, auf der Pressekonferenz im Januar darauf hingewiesen, daß die G-7-Länder nun Interesse an der UNO-Idee eines finanziellen Moratoriumapparates zeigen. Die Empfehlung des Berichts, die Koordination der makro-ökonomischen Politik der wichtigsten Industrieländer zu verbessern, um das Wachstum im Gleichgewicht zu halten und inflationäre wie deflationäre Tendenzen zu vermeiden, steht im Einklang mit Stellungnahmen, die von G-7-Ländern bei verschiedener Gelegenheit abgegeben wurden, darunter auch von den Vereinigten Staaten bei dem G-7 Ministertreffen Ende Februar.

Größere Schwierigkeiten hat die G-7 vielleicht mit der Hypothese des Berichts, daß die internationale Übereinstimmung der Wirtschaftspolitiken durch mehr Autorität des IWF oder durch die Vergrößerung der Gruppe um einige Schwellen- und Entwicklungsländer gestärkt werden könnte.

Das G-7-KommuniquÈ vom Februar stützt den deutschen Plan für ein“ Finanzstabilitätsforum“, das von G-7-Ländern und internationalen Finanzinstitutionen gebildet werden soll und dem die zur Marktwirtschaft übergehenden Länder vielleicht später beitreten können. Aber dieses Forum wird sich auf die Überwachung und Aufsicht von Finanzmärkten konzentrieren und nicht auf die Koordination nationaler Politiken.

Das UNO-Papier zur Finanzarchitektur deutet auch eine unterstützende Rolle des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen (ECOSOC) an, der die politische Führung übernehmen und den Konsens in internationalen Wirtschaftsangelegenheiten fördern könnte.

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Auszug aus dem United Nations Development Update, Nr.27
Quelle: UNO-Hauptabteilung für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Mai 1999