Sitzung im UN-Sicherheitsrat: „Die unheimliche Stille des Hungers ist ohrenbetäubend“

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben seit dieser Woche den rotierenden Vorsitz des Sicherheitsrats für den Monat August übernommen und gestern zu einer offenen Debatte über Hungersnöte und konfliktbedingte weltweite Ernährungsunsicherheit geladen.

Die Bedrohung durch eine Hungersnot, bei der Menschen langsam verhungern, müsse als rote Linie für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit betrachtet werden, sagte UN-Koordinatorin für die Prävention und Bekämpfung von Hungersnöten Ghelani gestern vor dem Sicherheitsrat und warnte davor, dass kriegführende Gruppen Hunger bewusst als Kriegstaktik einsetzen würden.

Weltweit hätten im Jahr 2022 mehr als 250 Millionen Menschen an akutem Hunger gelitten, die höchste Zahl der letzten Jahre, wobei in sieben Ländern, die alle von bewaffneten Konflikten oder extremer Gewalt betroffen sind, 376.000 Menschen von „hungersnotähnlichen Bedingungen betroffen waren“, so Ghelani. Weitere 35 Millionen Menschen würden sich am Rande dessen befinden.

„Hunger und Konflikte nähren sich gegenseitig“, fuhr sie fort. „Bewaffnete Konflikte zerstören Nahrungsmittelsysteme, zerstören Lebensgrundlagen und vertreiben Menschen aus ihren Häusern, so dass viele gefährdet sind und Hunger leiden. Manchmal sind diese Auswirkungen ein Nebenprodukt des Krieges, aber allzu oft werden sie absichtlich und unrechtmäßig herbeigeführt – wobei der Hunger als Kriegstaktik eingesetzt wird“, sagte sie.

Ernährungsunsicherheit selbst trage auch zu Instabilität bei. „Das ist oft der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und zu Konflikten führt“, sagte sie.

Klimawandel als Bedrohungsmultiplikator

Der Klimawandel und wirtschaftliche Schocks würden Krisen zusätzlich verschärfen. „Der Klimawandel wird zunehmend zu einem Bedrohungsmultiplikator“, erklärte Ghelani, wobei der Stress um Wasser und andere Ressourcen zu Konkurrenz um schwindende natürliche Ressourcen, Vertreibung und letztendlich zu Konflikten und Hunger führe.

Gleichzeitig behindere die Unsicherheit in von Konflikten betroffenen Ländern die Bemühungen zur Klimaanpassung. „Dadurch werden die ohnehin schon gefährdeten Gemeinschaften noch ärmer, hungriger und weniger widerstandsfähig“, so die UN-Vertreterin.

Mit wichtigen Schritten sind Fortschritte möglich

Ghelani betonte, dass trotz der überwältigenden Herausforderungen Fortschritte möglich seien, und erläuterte die wichtigsten Schritte, die zur Bewältigung der Krise unternommen werden müssten.

Dazu gehöre die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch Konfliktparteien, insbesondere der Schutz der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung, sowie die Ermöglichung des ungehinderten Zugangs für humanitäre Hilfe.

Die UN-Koordinatorin für die Prävention und Bekämpfung von Hungersnöten drängte auch auf eine bessere Nutzung von Frühwarnsystemen mit wirksamen Folgemaßnahmen, auf eine angemessene Finanzierung der humanitären Hilfe und darauf, mutig und kreativ nach Wegen zu suchen, um die Auswirkungen des Krieges auf die am stärksten gefährdeten Menschen abzumildern.

Gleichzeitig müssten Frauen und Mädchen im Mittelpunkt von Bemühungen stehen, so Ghelani, denn „sie sind von Krisen und Hunger unverhältnismäßig stark betroffen, aber sie sind auch der Schlüssel zu dauerhaften Lösungen. Forschungsergebnisse zeigen, dass die Beteiligung von Frauen an einer Friedenskonsolidierung die Wahrscheinlichkeit, dass die Gewalt beendet wird, um 24 Prozent erhöht“, erklärte sie.

Abschließend erzählte Ghelani von einer persönlichen Erfahrung, bei der sie Gemeinden besuchte, die am Rande einer Hungersnot standen. „Ich habe mit Müttern in zu vielen Ernährungsstationen, in zu vielen Vertriebenenlagern gesessen. Und während ihre kleinen Kinder um ihr Leben kämpften, waren sie zu schwach, um zu weinen oder auch nur einen Laut von sich zu geben […] diese unheimliche Stille des Hungers ist ohrenbetäubend. Sie lässt einen nicht mehr los“, sagte sie abschließen