Interview mit Deutscher „Peacekeeperin“ – UN-Friedenssicherung: „Da geht es um etwas“

75 Jahre Friedenssicherung der Vereinten Nationen – Um diesen 75. Jahrestag zu würdigen, führen die Vereinten Nationen eine globale Kampagne durch: „Peace begins with me“ , also „Frieden beginnt mit mir“.

Um der Kampagne ein Gesicht zu geben, hat UNRIC die UN-Soldatin Gina Plum interviewt, die von Juli 2022 bis Januar 2023 bei MINUSMA in Mali  im Einsatz war.

Oberbootsmann Gina Plum, 30 Jahre alt, ist eine deutsche „UN-Peacekeeperin“ und bei der Bundeswehr im Organisationsbereich des Kommandos des Cyber- und Informationsraums eingesetzt.

„Für mich war klar, dass ich unbedingt einen Auslandseinsatz absolvieren möchte – aus verschiedenen Gründen. Zum einen, um im multinationalen Umfeld zu arbeiten, operationeller und praxisnaher arbeiten zu können, als man das im Inland kann und die Möglichkeit zu bekommen, zu einer UN-Friedensmission beitragen zu können.“

Von Juli 2022 bis Januar 2023 war die junge Soldatin in ihrem ersten UN-Einsatz in Mali. Die „United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali“ (MINUSMA) ist ein Einsatz der Vereinten Nationen zur Friedenssicherung. Die Kernziele sind, das Abkommen für Frieden und Aussöhnung der Konfliktparteien zu unterstützen und die Waffenstillstandsvereinbarung zu überwachen.

Jede Abteilung habe daneben vor Ort natürlich gesonderte, kleinere Ziele, um das große Ganze der Mission zu unterstützen. So sei etwa das Erstellen eines möglichst dichten Lagebildes Funktion der Abteilung gewesen, der sie zugeordnet war, erklärt sie. Es drehe sich dabei im Wesentlichen um die Sicherheitslage, die  militärische und die humanitäre Lage vor Ort.  Das Sammeln von Informationen, um Datenbanksysteme zu versorgen, auf die andere Einheiten zugreifen müssen, ebenso wie die Durchführung von landesweiten Schulungen für die Nutzung von eben jenen Datenbanksystemen, seien Hauptbestandteile ihrer täglichen Aufgaben gewesen.

Ganz praktisch bedeute das, dass Plum für jegliche Auskünfte – beispielsweise für eine Auskunft der Gefährdungslage bei Wegbegebenheiten –  mitverantwortlich war. Ihre Auskünfte seien also genutzt worden, um Fahrtrouten, zum Beispiel für einen Konvoi, zu planen. „Da geht es um etwas […] und eine nicht richtig ausgewertete Information kann im Zweifel Menschenleben kosten“, sagt Plum. „Man möchte vor Ort sein Bestes geben, um die Kameraden – egal aus welchem Land sie kommen – bestmöglich zu unterstützen, und dafür muss man entsprechend wach sein und sich der eigenen Verantwortung stets bewusst sein.“

„Der größte Unterschied zu anderen Funktionen in Deutschland ist die Sicherheitslage in einem Land wie Mali. Man sollte – man muss – immer darauf gefasst sein, dass doch mal etwas passieren kann“, erklärt Plum. „Man darf nicht vergessen, dass man sich in einem Einsatzland befindet, in dem eben nicht alles in Ordnung ist, weil sonst wäre man ja nicht dort.“ In Mali gewesen zu sein, habe für Plum die Interdependenz von Themen verdeutlicht: die nachhaltige Verbesserung von Lebenssituationen von in Armut lebenden Menschen, könne nur erreicht werden, wenn nachhaltig Frieden herrsche.  „Diese Zahnräder greifen ineinander. Es kann nur zusammen funktionieren“, verdeutlicht Plum.

Eine einzelne Nation könne das, was die multinationalen UN-Peacekeeping-Einsätze leisten, ihrer Ansicht nach nicht stemmen. Plum habe wahnsinnig motivierte Menschen – sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich – aus der ganzen Welt in Mali kennengelernt, erzählt sie.

Eine Schwierigkeit auf persönlicher Ebene bestünde jedoch darin, akzeptieren zu müssen, dass man nur einen kleinen Beitrag leisten könne und nicht allen und überall helfen könne, was angesichts der humanitär angespannten Situation in Mali herausfordernd gewesen sei. „Ich glaube, dass Empathie eine wichtige Eigenschaft für UN-Peacekeeper ist. In einem gesunden Maß, verknüpft mit einer guten Portion Realismus, sei dies absolut angebracht.“ Nichts werde sich von heute auf morgen ändern können. „Die eigenen Ressourcen sind endlich, was es aber nicht weniger wichtig macht, dass jeder einen Beitrag leistet, wenn er die Möglichkeit dazu hat“, schildert Plum.

„Dadurch, dass es mein erster Einsatz in einer UN-Friedensmission war, hat mich dieser auf besondere Weise geprägt“ , so Plum rückblickend. Ihr Vorgesetzter in Mali, ein litauischer Staatsbürger, habe sie als „Macherin“ gelobt. Sie sei demütiger als früher und sehr dankbar für die Erfahrungen, die sie sammeln konnte.