European Youth Event 2023: Ein junger Aktivist über eine nachhaltige Plattform für junge Menschen

Mittig: Mirwais Wafa

Im Vorfeld des Europäischen Jugendevents (European Youth Event 2023) in Straßburg am 9. und 10. Juni 2023 haben wir mit einem jungen Aktivisten über seine Arbeit, seine Ambitionen und über seine Botschaft an die führenden Politikerinnen und Politiker der Welt gesprochen.

In diesem Interview erfahren Sie mehr über Mirwais Wafa, der am EYE2023 teilnehmen wird.

Können Sie mir ein wenig über Ihren Hintergrund erzählen? Wer sind Sie, woher kommen Sie, wo leben Sie und was machen Sie?

Mein Name ist Mirwais Wafa. Ich bin 27 Jahre alt und studiere derzeit Politikwissenschaften an der Universität Bamberg in Deutschland. Geboren wurde ich in Kabul, Afghanistan. Im Jahr 2012, im Alter von 15 Jahren, bin ich mit meiner Mutter nach Deutschland eingewandert und lebe seitdem hier und bin deutscher Staatsbürger. Ich engagiere mich auf globaler Ebene bei der UNESCO als Vorsitzender der UNESCO Global Youth Community. Auch auf nationaler Ebene bin ich im Jungen Forum der Deutschen Nationalkommission für die UNESCO, das ich mitbegründet habe. Und im April 2023 wurde ich vom UN-Büro in Brüssel ausgewählt, eines der sechs Mitglieder der Youth Core Group für das European Youth Event zu sein.

Wie sind Sie zum Jugendaktivismus gekommen? Was war Ihr Ausgangspunkt?

Ich habe mich schon sehr früh für Politik interessiert, bin aber erst in der Oberstufe zum Jugendaktivismus gekommen, nachdem ich 2016 die Möglichkeit hatte, ein Praktikum im Deutschen Bundestag zu absolvieren, und zwar im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Während meines Praktikums wurde ich mir immer mehr der Themen, Probleme und Herausforderungen bewusst, mit denen wir als Bürgerinnen und Bürger, aber vor allem als junge Menschen konfrontiert sind. Dann habe ich angefangen, über die Vereinten Nationen zu lesen und darüber, was sie für junge Menschen tun. Damals hörte ich zum ersten Mal von dem UN-Jugendbeauftragten und war wirklich begeistert von dem, was er damals tat. Gleichzeitig war ich frustriert darüber, dass junge Menschen an vielen politischen Entscheidungsprozessen nicht beteiligt waren und dass die Jugend in der Politik unterrepräsentiert ist. Ich habe angefangen, an der Basis aktiv zu werden und besuchte verschiedene Konferenzen und Veranstaltungen zu unterschiedlichen Themen, insbesondere zum Klimawandel und zur Außenpolitik. Im Internet habe ich gesehen, dass die Deutsche Nationalkommission junge Leute für eine Art Beratergruppe suchte, die mit ihr zusammenarbeiten sollte, um eine Jugendstruktur innerhalb der Deutschen Nationalkommission für die UNESCO zu schaffen. Ich bewarb mich und wurde schließlich als einer von 25 jungen Menschen aus ganz Deutschland ausgewählt. Es war ein einjähriges Projekt, und wir haben darüber diskutiert, wie man junge Menschen einbinden und generationenübergreifende Strukturen innerhalb der Deutschen Nationalkommission schaffen kann.

Dann haben Sie die UNESCO Global Youth Community mitbegründet. Was genau ist die UNESCO Global Youth Community und welche Rolle spielen Sie innerhalb der Organisation?

2019 wurde ich von der Deutschen Nationalkommission nominiert, um als einer von 75 jungen Menschen aus der ganzen Welt an der 40. Generalkonferenz der UNESCO und dem 11. Jugendforum in Paris teilzunehmen. Während des Jugendforums war es mir sehr wichtig, das Thema Jugendbeteiligung zu diskutieren. Das UNESCO-Jugendforum findet alle zwei Jahre während der Generalkonferenz der UNESCO statt. Ich traf mich mit anderen jungen Leuten und wir hatten die Idee, ein Empfehlungspapier für die UNESCO zu schreiben, wie eine nachhaltige Struktur innerhalb der UNESCO aufgebaut werden kann – für junge Menschen, von jungen Menschen. Wir haben das Ergebnisdokument des Forums den Mitgliedsstaaten auf der Generalkonferenz vorgelegt, und es wurde angenommen. Wir haben angefangen, die Struktur der UNESCO Global Youth Community von Grund auf aufzubauen, und das hat sehr lange gedauert. Aber jetzt sind wir eine offizielle UNESCO-Einrichtung und die erste und einzige von Jugendlichen geleitete und auf Jugendliche fokussierte Dachplattform und Gemeinschaft. Die UNESCO Global Youth Community dient als Brücke zwischen der UNESCO und jungen Menschen. Als Vorsitzender des Steering Committees bin ich dafür verantwortlich, die Arbeit der UNESCO Global Youth Community zu koordinieren und zu leiten, was eine Menge Diplomatie und Geduld erfordert.

Was hat Sie dazu bewegt, ein so großes Projekt in Angriff zu nehmen?

Unsere Generation steht vor vielen Herausforderungen – der Klimakrise, wirtschaftliche Herausforderungen, COVID-19 – aber die Generationen nach uns werden noch mehr haben. Wie Mahatma Gandhi sagte: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt“. Und für mich war es sehr wichtig, eine nachhaltige Plattform für junge Menschen zu schaffen, um etwas für die nächste Generation aufzubauen. Jetzt haben wir eine dauerhafte Struktur innerhalb der Organisation, die jungen Menschen eine Stimme gibt und sie in die Lage versetzt, Herausforderungen an die politischen Entscheidungsträger zu richten.

Sie werden Mitglied der Youth Core Group beim European Youth Event (EYE) im Juni sein. Können Sie mir ein wenig darüber erzählen, wie Sie dazu gekommen sind, Mitglied zu werden und was diese Rolle mit sich bringt?

Ich wurde von der UNESCO nominiert. Ein Kollege schlug mir vor, Mitglied der Youth Core Group zu werden, und ich habe meine Bewerbung vorbereitet. Nach dem Auswahlverfahren wählte mich das UN-Büro in Brüssel zusammen mit fünf anderen jungen Menschen aus. Unsere Gruppe kommt nun alle zwei Wochen zusammen, um Aktivitäten für das EYE zu planen. Wir bereiten eine Podiumsdiskussion zum Thema „Agenten des politischen Wandels“ vor, bei der es drei verschiedene Panels zu unterschiedlichen Themen geben wird. Außerdem planen wir einen Stand auf dem EYE, an dem wir mit jungen Menschen über die UN und unsere Arbeit sprechen können und darüber, wie sie sich ebenfalls engagieren können.

Was erhoffen Sie sich, als Vertreter des European Youth Events zu erleben und zu erreichen?

Ich möchte junge Menschen dazu motivieren, sich zu engagieren. Es ist mir sehr wichtig, mit all diesen jungen Menschen aus ganz Europa zu sprechen und Ihnen Einblicke zu verschaffen, denn viele junge Menschen wissen gar nicht, welche Möglichkeiten die UN bietet. Viele junge Menschen wollen sich engagieren und einbringen, wissen aber nicht, wie oder wo sie anfangen sollen, weil sie nicht einmal wissen, dass einige dieser Möglichkeiten überhaupt existieren.

Wie beziehen Sie junge Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen in Ihre Arbeit ein?

Ich glaube, dass Vielfalt eines der wichtigsten Elemente einer erfolgreichen internationalen Organisation ist, und dazu gehört auch die Einbindung junger Menschen auf globaler Ebene. Es kann eine Herausforderung sein, Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zusammenzubringen, weil sie so unterschiedliche Erfahrungen mitbringen. Ich denke, das Wichtigste ist, dass wir uns gegenseitig respektieren und akzeptieren. Ich versuche, das Wort „tolerieren“ zu vermeiden. Wir sollten uns gegenseitig akzeptieren.

Können Sie ein eine Erfahrung aus Ihrer Arbeit nennen, die für Sie besonders bedeutsam war oder auf die Sie besonders stolz sind?

Ich bin so stolz auf die Struktur, die wir bei der UNESCO aufgebaut haben. So viele Leute sagten uns, dass das nicht möglich sei und wir es einfach vergessen sollten. Wir wurden mit einer Menge Pessimismus konfrontiert. Und das war manchmal frustrierend, aber wir haben nie aufgegeben. Ich bin so dankbar für meine Kollegen und dafür, wie wir zusammengearbeitet haben. Ich benutze das Wort „wir“, weil es eine Teamleistung war, auf die ich sehr, sehr stolz bin.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Da ich Politikwissenschaften studiere und mich für die UN und die UNESCO engagiere, könnte ich mir vorstellen, auch in Zukunft für die UN zu arbeiten. Ich interessiere mich für Diplomatie. Mein Ziel ist es, etwas auf globaler Ebene zu verändern.

Welche Botschaft haben Sie für die derzeitigen politischen Entscheidungsträger?

Wir brauchen junge Menschen auf der Entscheidungsebene. Die politischen Entscheidungsträger sollten uns junge Menschen ernst nehmen. Nehmt die Themen und Ideen der Jugend, die angegangen werden müssen, ernst. Die aktuellen und kommenden Herausforderungen können wir nur gemeinsam lösen. Lasst uns zusammenarbeiten und die Kluft zwischen den Generationen überbrücken, um Lösungen für die enormen Herausforderungen zu finden, mit denen wir konfrontiert sind, wie zum Beispiel die Klimakrise, Hunger, Krieg und viele andere Herausforderungen.

Abschließend: Welchen Rat haben Sie für junge Menschen, die sich aktiv engagieren und in ihren Gemeinden etwas bewirken wollen?

Nutzt die vielen Möglichkeiten, die sich euch bieten. Dank des Internets ist es einfach, mit Jugendorganisationen auf globaler und nationaler Ebene in Kontakt zu treten. Es spielt keine Rolle, was du tust, wichtig ist, dass du dich engagierst. Sei es eine politische Partei, eine Jugendorganisation oder etwas wie die Model United Nations. Viele junge Menschen sind daran interessiert, sich zu engagieren, haben aber vielleicht Angst, nicht ernst genommen zu werden. Meine Botschaft an sie: Es ist euer Recht, euch zu beteiligen.